Der Erste Erfolg: Ein Western-Musical

In diesem Anfangsstadium kam das Publikum eher zögerlich, plus/minus ein Dutzend pro Spielabend. Ausverkauft war nie. Der Durchbruch gelang mit der 22. Inszenierung im Jahre vier der Tonne: Der Prairie-Saloon – ein Western Musikal (sic!). Die Gäste der Premiere ließen sich buchstäblich an einer Hand abzählen, doch während des einen Tages bis zur nächsten Vorstellung muss es eine lawinenartige Mundpropaganda gegeben haben, denn am nächsten Abend drängten sich die Zuschauer an der Kasse und Marianne André verkaufte Karten wie in einem Rausch. Da sie noch nie ein ausverkauftes Haus hatte, kam sie gar nicht auf die Idee, mitzuzählen, wann voll sei. Erst als der Ruf sie erreichte, es seien schon viel zu viele Leute im Zuschauerraum, hielt sie ein.

 

In der folgenden Zeit erwuchs ein Kreis an interessierten Zuschauern, der sich dafür engagierte, die Tonne am Leben zu erhalten. Am 30. Juni 1961 wurde der Förderverein Theater in der Tonne e.V. gegründet. Im Jahr darauf folgten die ersten städtischen Zuschüsse. Man spielte aus Leidenschaft weiterhin Stücke der Avantgarde, einige Klassiker für die Schulen sowie Komödien, Krimis und Musicals zum Überleben.  Durch die Gastspiele auswärts, die sich zum wichtigen finanziellen Standbein herausbildeten, wurde es nötig, die Schauspieler fest anzustellen – und auch zu bezahlen. Die Gagen müssen mehr als kärglich gewesen sein. Aus den Siebzigern ist folgender Ausruf Andrés überliefert: »350 Mark, wenn ich des bloß den Schauspielern zahle könnt’!« Und irgendwann gab es die Tonne schon zehn Jahre und man schrieb das Jahr '68. Auch das Reutlinger Theater bekam den gesellschaftlichen Wandel, herbeigeführt durch die Studentenproteste und Jugendunruhen, zu spüren. Mitbestimmung hieß das alleinseligmachende Zauberwort der Stunde. Jeder war für alles verantwortlich, das bedeutete im Endeffekt: keiner. Marianne André erinnert sich an die siebziger Jahre als an die Zeit, wo nur noch diskutiert – und kein Theater mehr gemacht – wurde. Alf André ließ der Entwicklung erstmal ihren Lauf und lieferte auf diese Art den Beweis dafür, dass, so schön die Demokratisierungsidee in der Theorie sein mag, die ewigen Debatten die Theaterpraxis zum Erliegen bringen. Dennoch dauert es ein, zwei Jahr bis sich der Betrieb wieder eingependelt hatte.

 

Dann bekam Alf André, der 14 Jahre Inhaber, Intendant, Regisseur und Schauspieler in Personalunion war, das Angebot zur Spielzeit 1972/73 die Intendanz der badischen Landesbühne Bruchsal zu übernehmen. Er nahm an. Nach seinem Weggang musste eine neue Rechtsform für das Theater in der Tonne gefunden werden, denn man hätte wohl keinen Nachfolger gelockt mit der Aussicht, das Theater auf eigenes Risiko zu betreiben. Auch der Förderverein war nicht in der Lage, das Theater in eigener Führung zu übernehmen. Da die Stadt aber an der Weiterexistenz des Theaters in Reutlingen interessiert war, wurde am 4. Februar 1972 ein neuer Trägerverein gegründet. Seine Satzung sah eine starke Einbindung der Stadt vor.