Spielstarker Elvis-Viererpack

von Armin Knauer

REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER, 4.12.2023

 

Bühne – Die Tonne huldigt dem King of Rock ’n’ Roll in »Heartbreak Hotel« musikalisch mitreißend und facettenreich

 

REUTLINGEN. Wie soll man einen Elvis-Abend auf die Bühne bringen, ohne sich zu wiederholen? Die Tonne ist auf eine skurrile Idee verfallen und schickt in ihrem neuen Stück »Heartbreak Hotel« nicht einen, nicht zwei, sondern vier Kings of Rock ’n’ Roll auf die Bühne. Was sich als gar nicht abwegig erweist. Denn wie soll man die so extrem unterschiedlichen Facetten dieser Persönlichkeit in einer Figur unterbringen?

 

Und so rangeln auf der Bühne die verschiedenen Seelen miteinander, die in diesem Menschen wohnten. Daniel Tille, der auch den Text schrieb, ist herrlich unbekümmert der junge Rock ’n’ Roller, der die Welt entdeckt. Thomas B. Hoffmann verkörpert mit der Inbrunst eines Gospelpredigers den religiösen Menschen Elvis. David Liske ist mit bestechender Abgeklärtheit der etablierte Star und Frauenheld. In Chrysi Taoussanis schließlich konzentriert sich dicht und packend der Überdruss des späten Elvis, gefangen in der Tretmühle des Showbusiness.

 

In der Popstar-Vorhölle

 

Sie alle stecken Texter Tille, Regisseur Fridtjof Bundel und Ausstatterin Katharina Kindsvater in ein Hotelzimmer, dessen schäbiges 70er-Jahre-Muster sich über Boden und Rückwand zieht, wo gelegentlich Szenen aus dem Leben des »King« als Video unscharf angedeutet sind. Wie die vier dahingekommen sind und was sie dort sollen, bleibt mysteriös. Ist es eine Zeitschleife wie in »Und ewig grüßt das Murmeltier«? Ist es eine Popstar-Vorhölle wie in Jean-Paul Sartres »Geschlossene Gesellschaft«? Die vier Elvisse rätseln selbst darüber.

 

Der Reiz sind dabei die Gegensätze, von den Darstellern grandios ausgespielt. Wenn etwa der cool-abgezockte Star-Elvis von David Liske mit dem unbekümmert idealistischen Elvis von Daniel Tille zusammenrasselt. Oder Tilles lebenshungriger Elvis mit dem gottsuchend-verklärten von Thomas B. Hoffmann.

 

Kontraste bergen immer das Potenzial für Komik – und die spielt hier eine zentrale Rolle. Schon gleich zu Beginn, wenn hinter Betten und Nussbaum-Kommode ein Elvis nach dem anderen aufsteht, jeder mit einer anderen Variante desselben weißen Anzugs (Schneiderei: Kathrin Röhm). Komik steckt auch in den Choreografien, mit denen die vier wie in einem Slapstick-Ballett Presleys Knieschwünge zitieren. Und geradezu zum Brüllen komisch ist es, wenn David Liskes Elvis mit Macht ins Filmgeschäft drängt, um in immer neuen Kitsch-Schnulzen zu landen. Wie in einem Geisterbahn-Karussell hetzt er immer schneller von einem Ramsch-Schlager zum nächsten.

 

Gleichzeitig verdeutlichen diese Gegensätze auch Elvis’ Zerrissenheit. Weshalb in all diesen komischen Elementen immer auch das Tragische steckt. In dem Hüftschwung-Ballett (Tanzcoaching: Simona Semeraro) steckt auch das zwanghafte Show-Gen, das den Sänger unbarmherzig vorantreibt. Und in Liskes Filmschnulzen-Szene wird auch Elvis’ fatale Abhängigkeit von seinem dubiosen Manager, dem »Colonel«, drastisch verdeutlicht. Der einzige Mensch, dem er wirklich vertraut, ist der Geschäftemacher, der ihn ausnimmt.

 

Zwischen Komik und Tragik

 

So ist es ein Ritt auf der Rasierklinge zwischen Komik und Tragik. Ein stimmiger Ritt, der getragen wird von live gespielter Musik. Daniel Sundy am E-Kontrabass auf der einen Seite und Joachim Gröschel am Schlagzeug auf der anderen Seite legen dazu das Gerüst, geben feine Impulse. Alle Darsteller spielen zudem Instrumente: Liske greift am E-Piano in die Tasten, Hoffmann setzt an der E-Gitarre Akzente, Tille holt die Akustikgitarre des jungen Elvis hervor, Taoussanis wirft Tamburin-Rhythmen ein. So schmettern sie grandios die großen Songs: die ungestüm bretternden frühen Rock ’n’ Roll-Nummern, die sanft schnurrenden Balladen, die orchestralen Pop-Hits der 60er-Jahre, dazwischen auch mal a cappella ein Spiritual wie »Stand by me« – sehr bewegend.

 

Dass keiner von ihnen ein typisches Elvis-Organ hat, ist dabei kein Makel. Sie sind Facetten, nicht Elvis in Person. Und so passt Hoffmanns rauer Gospelton wunderbar, Tilles unbekümmerter Rock ’n’ Roll-Gesang, Liskes präziser Pop-Tenor, Taoussanis’ rotzig-kratzige Rebellenstimme. Immer wieder finden sie zu großartigen Ensemble-Nummern zusammen. Wird es den vier Elvissen gelingen, sich zu versöhnen? Die Sache bleibt spannend bis zum Schluss. Eine gelungene Auseinandersetzung mit dem »King of Rock ’n’ Roll« – im Wortsinn facettenreich. (GEA)

 

 

 

Die vierfach verzweifelte Legende

von Jürgen Spieß

REUTLINGER NACHRICHTEN, 5.12.2023

 

Reutlingen – Die Tonne feiert mit dem gelungenen Elvis-Programm »Heartbreak Hotel« Premiere. Vier Schauspieler zeigen unterschiedliche Lebensabschnitte und Facetten des US-Sängers.

 

Um dem Menschen Elvis Presley näherzukommen, muss man seme Ängste, Vorlieben und Dämonen kennen: Darauf zielt das musikalische Elvis-Programm »Heartbreak Hotel« in einer Fassung von Daniel Tille ab, das am Samstag im Theater Tonne seine umjubelte Uraufführung feierte. Dabei kamen in der zweistündigen Produktion von Regisseur Fridtjof Bundel gleich vier Elvis-Ichs zum Einsatz.

 

Es gibt kein Geheimnis, so scheint es, alles an ihm ist entdeckt und beschrieben. Arterien und Venen, die Anzahl der weißen und roten Blutkörperchen, all seine Widersprüche: der Hinterwäldler und das Jahrhundertgenie, der Reiche und doch so Arme, die Sexappealmaschine, der brave Soldat und das Monster aus Vegas, die Hebamme des Rock ’n’ Roll und dessen Totengräber, der Herzensbrecher und der Überscheue. Der Grund einer weltweiten Massenpsychose.

 

Weil zu Elvis Aaron Presley jeder ein Bild und eine Meinung hat, haben darf, haben muss, ist er anfallig für Verklärung und Parodie. In den 46 Jahren seit seinem Tod hat eine Armee von Nachahmern versucht, ihn zu reanimieren. Keinem gelang es wirklich. Der freie Regisseur Fridtjof Bundel startete nun ein neuerliches Theater-Experiment, dem King of Rock ’n’ Roll als Mensch näherzukommen, indem er gleich vier Schauspieler des Tonne-Ensembles unterschiedliche Lebensabschnitte und Facetten des US-Sängers beleuchten lässt.

 

Vorwürfe und Provokation

 

Schauplatz ist ein abgelegenes Hotel, irgendwo im Nirgendwo. Ein begrenzter Raum, der zuweilen wie ein Gefangnis wirkt und mit seinen braunen Lampenschirmen, Schalensesseln und TV-Schrank eine bedrückende 60erJahre-Stimmung erzeugt. Dort tauchen die vier Elvisse Chrysi Tauossanis, Daniel Tille, Thomas B. Hoffmann und David Liske in die Vergangenheit des Rock ’n’ Roll-Idols ein. Geprägt sind die Dialoge von gegenseitigen Vorwürfen, Provokationen, bis zu tiefer Trauer über Verluste auf dem Weg zum Ruhm.

 

Es wird über Seelengefährtinnen und Frauengeschichten gestritten, über den Manager lamentiert, seelische Abgründe beleuchtet: »Ich kriege Kopfweh von dem Lied!«, schreit der eine, »da hängen zu viele Erinnerungen dran.« Die vier im weißen Einheitslock gekleideten Darsteller geben sich anfangs als Träumer, Visionär, als Künstler, der das alles nur macht, »um ’ne Platte für meine Mom aufzunehmen«. Doch im Laufe der Zeit gleitet das Stück mehr und mehr in eine verzweifelte Seelenshow ab. Gleichwohl löst die Bühnenversion den Text nicht in bemühten Spielszenen auf. Vielmehr geben die Elvis-Figuren, indem sich ihre Anschuldigungen mit denen der anderen durchdringen, ihre trostlosen, teils auch komischen Erinnerungen erzählend preis. Dabei führen sie sich in Elvis-mäßigen Verrenkungen, narzisstischen Tanzeinlagen und verunglückten Körperaktionen vor.

 

Starke Hits ausgewählt

 

Die Rückschau auf Elvis’ Leben erstreckt sich vom aufstrebenden Rock ’n’ Roll-Star über den frustrierten und verkannten Leinwandhelden bis zur abgehalfterten und medikamentensüchtigen Legende. Tragödien wie der Tod seines Zwillingsbruders während der Geburt, für den sich Elvis Zeit seines Lebens schuldig fühlte, oder sein Hang zu religiöser und spiritueller Erlösung werden eindrücklich thematisiert. Das verbindende Element zwischen Spielszenen und Seelenshow sind natürlich die live gesungenen Elvis-Hits, die vor allem nach der Pause ganz vorzüglich funktionieren. Ohrwürmer wie »Are You Lonesome Tonight«, »Heartbreak Hotel«, »Can't Help Falling In Love« oder die herrliche  Parodie auf seine seichten Filmrollen kommen durchaus authentisch und vom Publikum teilweise mitklatschend gefeiert über die Bühnenrampe.

 

Durch Einspielungen mit altem TV-Material und der versierten instrumentalen Unterstützung von Daniel Sundy (Kontrabass) und Joachim Gröschel (Schlagzeug) verstärkt sich der Eindruck einer Reise mit der Elvis-Zeitmaschine noch. Auch stimmlich - vor allem Daniel Tille und David Liske - präsentieren sich die vier Elvis-Doubles auf der Höhe. Fridtjof Bundel hat mit »Heartbreak Hotel« einen bitterkomischen »Tanz des ewigen Verzweifelns« inszeniert, mit Darstellern, die nicht nur sprachlich, sondern auch körpersprachlich überzeugen.

 

 

Tanz der ewigen Zerrissenheit

von Jürgen Spieß

SCHWÄBISCHES TAGBLATT, 7.12.2023

 

Premiere – »Can’t Help Falling in Love«: Das Reutlinger Theater Die Tonne feierte mit dem gelungenen Elvis-Programm »Heartbreak Hotel«: Uraufführung.

 

Es gibt kein Geheimnis, so scheint es, alles an ihm ist entdeckt und beschrieben. Arterien und Venen, die Anzahl der weißen und roten Blutkörperchen, all seine Widersprüche: der Hinterwäldler und das Jahrhundertgenie, der Reiche und doch so Arme, die Sexappealmaschine, der brave Soldat und das Monster aus Vegas, der Herzensbrecher und der Überscheue.

 

Weil zu Elvis Aaron Presley jeder ein Bild und eine Meinung hat, haben darf, haben muss, ist er anfällig, für Verklärung und Parodie. In den 46 Jahren seit seinem Tod hat eine Armee von Nachahmern versucht, ihn zu reanimieren. Keinem gelang es wirklich. Der freie Regisseur Fridtjof Bundel startete nun mit dem musikalischen Elvis-Programm »Heartbreak Hotel« in einer Fassung von Daniel Tille ein neuerliches Experiment, dem King of Rock ’n’ Roll als Mensch näher zu kommen, indem er gleich vier Schauspieler des Reutlinger Tonne-Ensembles unterschiedliche Lebensabschnitte und Facetten des US-Sängers beleuchten lässt.

 

Viermal Elvis

 

Schauplatz ist ein abgelegenes Hotel, irgendwo im Nirgendwo. Ein begrenzter Raum, der zuweilen wie ein Gefängnis wirkt und mit seinen braunen Lampenschirmen, Schalensesseln und TV-Kommode eine bedrückende 70er-Jahre-Stimmung erzeugt. Dort tummelt sich nicht einer, sondern vier Elvisse tauchen mit unterschiedlichen Vorzeichen in die Vergangenheit des Rock ’n’ Roll-Idols ein: Während Daniel Tille den jungen, aufstrebenden Sänger spielt, gibt sich David Liske als der abgeklärte Superstar und Frauenheld. Der dritte Elvis im Bunde, Thomas B. Hoffmann, geht dagegen ganz in seiner Rolle als religiöser Sinnsucher auf, und Chrysi Taoussanis verkörpert den medikamentensüchtigen King of
Rock ’n’ Roll.

 

Es werden gegenseitige Vorwürfe und Schuldzuweisungen ausgetauscht, über den Manager »Colonel« lamentiert, seelische Abgründe beleuchtet: »Ich kriege Kopfweh von dem Lied!«, schreit der eine. »Da hängen zu viele Erinnerungen dran.« Zuweilen scheint es, als träfen in den vier im weißen Einheitslook gekleideten Darstellern (Schneiderei: Kathrin Röhm) verschiedene Seelen aufeinander: »Dabei habe ich das alles nur gemacht, um ’ne Platte für meine Mom aufzunehmen«, beteuert der junge Elvis Daniel Tille.

 

»Are You Lonesome Tonight?«

 

Gleichwohl löst die Bühnenversion den Text nicht in bemühten Spielszenen auf. Vielmehr geben die Elvis-Figuren, indem sich ihre Seelenshow mit der des anderen durchdringen, ihre gegensätzlichen, teils auch brüllend komischen Erinnerungen erzählend preis. Dabei führen sie sich in Elvis-mäßigen Verrenkungen, narzisstischen Tanzeinlagen und verunglückten Knieschwüngen vor.

 

Die Rückschau auf Elvis’ Leben erstreckt sich vom aufstrebenden Rock ’n’ Roll-Star über den frustrierten und verkannten Leinwandhelden bis zur abgehalfterten und medikamentensüchtigen Legende. Tragödien wie der Tod seines Zwillingsbruders während der Geburt, für den sich Elvis Zeit seines Lebens schuldig fühlte, oder sein Hang zu religiöser und spiritueller Erlösung werden eindrücklich thematisiert. Das verbindende Element zwischen Spielszenen und Seelenshow sind natürlich die live gesungenen Elvis-Hits, die vor allem nach der Pause ganz vorzüglich funktionieren. Ohrwürmer wie »Are You Lonesome Tonight«, »Heartbreak Hotel«, »Can’t Help Falling In Love« oder die herrliche Parodie auf seine seichten Filmschnulzen kommen authentisch und vom Publikum teilweise mitklatschend gefeiert über die Bühnenrampe.

 

Reise mit der Zeitmaschine

 

Durch Einspielungen mit altem TV-Material und der feinen instrumentalen Unterstützung von Daniel Sundy (Kontrabass) und Joachim Gröschel (Schlagzeug) verstärkt sich der Eindruck einer Reise mit der Elvis-Zeitmaschine noch. Selbst stimmlich – und ohne typisches Elvis-Organ – präsentieren sich die vier auch Instrumente spielenden Elvis-Doubles auf der Höhe. Fridtjof Bundel hat mit »Heartbreak Hotel“ einen bitterkomischen und überaus vielschichtigen »Tanz der ewigen Zerrissenheit« inszeniert, mit Darstellern, die nicht nur sprachlich, sondern auch körpersprachlich und gesanglich überzeugen.

 

 

Reutlinger Tonne – Der vierfache Elvis

von Martin Bernklau

CUL-TU-RE.DE, 3.12.2023

 

Bühne – Die Tonne holt mit »Heartbreak Hotel« den King of Rock’n’Roll nach Reutlingen

 

Steht ein Elvis-Jubiläum an? Ja, in gut einem Jahr, der 90. Jahrestag seiner Geburt. Aber der King ist sowieso unsterblich und immer aktuell. Und dass immer mehr Musik ins Theater kommt, ist ja nichts Neues. Die Tonne ist da Vorreiter und bringt in dieser Spielzeit nach den Chansons aus den goldenen Zwanzigern (im Keller) eine zweite Revue auf die Bühne. »Heartbreak Hotel« hatte am Samstagabend seine fast ausverkaufte Premiere.

 

Ein gemischtes Tripel hat da ein veritables Rock’n’Roll-Cover-Konzert zum Theaterabend gemacht und dafür ein Schauspieler-Quartett auf die Bretter geschickt, das richtig gut singen, tanzen und seine Instrumente spielen kann, assistiert von zwei Musikprofis im seitlichen Hintergrund: Daniel Sundy zupft seine Bässe, Joachim Gröschel schlägt und streichelt die Drums. Die vier Elvisse, meist in edel weißen Anzügen aus Kathrin Röhms Schneiderei, hin und wieder mit Elvis-Tollen-Perücken, verkörpern verschiedene Facetten des King.

 

Chrysi Taoussanis gibt die weibliche Seite des Stars, manchmal die zornige und auch die schwache, die bedürftige. Ihre wiederkehrenden Zusammenbrüche, mit denen sie alle foppt, sind eine Art Running Gag. Thomas B. Hoffmann ist so etwas wie das christliche Gewissen im bigotten Amerika und spielt die E-Gitarre. David Liske hat einen schönen lyrischen Tenor, ist der Elegante und Extrovertierte und sitzt immer wieder souverän an den Keyboards, die ihrerseits hinter einer TV-Truhe der Sechziger stehen, auf deren kleinem Schirm durchgängig Schwarzweißes läuft (Ausstattung: Katharina Kindsvater). Und Daniel Tille, der Musiker an sich in Elvis, ist nicht nur ein kraftvoller Sänger und staunenswert versierter Gitarrist. Er gehörte auch zum Konzept-Team um Dramaturg Michel op den Platz sowie den Regisseur und musikalischen Leiter Fridtjof Bundel, das Tanzcoach Simona Semeraro vervollständigte.

 

Ganz grob lassen sich auch vier Teile (oder fünf, wenn man der Army-Zeit in Germany ihr ganz eigenes Gewicht gibt) ausmachen, in denen mit Szenen, Reflexionen und natürlich Songs das Leben des Elvis Presley in seine chronologischen Epochen aufgefächert wird: Herkunft, Aufstieg, Abstieg und Untergang des King, der am 16. August 1977 in seiner Villa Graceland in Memphis Tennessee mit erst 42 Jahren – verfettet, verbraucht, verlassen und verzweifelt – an Pillen, Weltekel und gebrochenem Herzen zugrunde ging. Die Verlobte, wohl eher ein Groupie, fand ihn tot im Badezimmer. Die Welt stand still, schon über den Rock’n’Roll hinaus.

 

Die rundum gelungene Elvis-Collage der Tonne sucht in ihren Episoden und Songs ein wenig psychoanalytisch nach Kräften im Hintergrund und Untergrund, von denen dieses krasse Heldenleben beeinflusst, wenn nicht gar gelenkt und gesteuert wurde. Die schwere Geburt als Zwilling des totgeborenen Jesse, die beidseitig abgrundtiefe Mutterliebe, die Gospel-Frömmigkeit der Südstaaten, die mafiöse Macht des Managers »Colonel«, eine dem Sänger zutiefst wesensfremde Film-Karriere, Liebe und Leid mit der anfangs minderjährigen Priscilla, die ihn als Frau schließlich verlässt, der Show-Moloch Las Vegas, Exzesse, Seelennot und Einsamkeit.

 

Es fällt auf, dass mit diesem Ansatz auch die geläufigen Songtexte von »Heartbreak Hotel« über »Hound Dog« bis »Fever« an Tiefe gewinnen. Die Inszenierung setzt nicht nur auf die Kraft des Rock’n’Roll und der Songs, sie setzt auch viel Stille ein. Gegen Ende, zum Abstieg und Absturz des King hin, wird das etwas arg bedeutungsschwanger und führt sogar zu gewissen Längen. Die Lebensuhr läuft ab. Countdown. Der Tod kommt mit einer amokhaften Ballerei unter den vier Elvissen, ein etwas plakativ-symbolischerer Knalleffekt zum Finale.

 

Etwas paradox: Keineswegs bescheiden, aber nicht wirklich dringlich gefragt und am wenigsten spektakulär war in diesem Spektakel vielleicht die schauspielerische Leistung des Quartetts. Aber das ist ja auch der alltägliche Job. »Heartbreak Hotel« ist Ausnahmezustand. Hinreißend und großartig hingegen diese Musik, der Gesang, auch die Choreo einer höchst unterhaltsamen Revue. Das Publikum jubelte und kreischte, wie sich das beim King of Rock’n’Roll gehört, und bestand auf mindestens sechs oder sieben Vorhängen.

 

 

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