Kommentar: Einsame Spitze

von Otto Paul Burkhardt
REUTLINGER NACHRICHTEN, 22.02.2011

Mit dem ersten deutschsprachigen Monologfestival "Monospektakel" hat das Tonne-Theater mal wieder eins bewiesen: Auch mit einem Low-Budget-Etat lassen sich zündende Ideen verwirklichen. Monologe, also Selbstgespräche auf dem Theater, sind Momente, in denen das Geschehen innehält, in denen jemand alleine auf der Bühne steht und den Gedanken freien Lauf lässt, in sich geht, zurückblickt, kommentiert, schimpft, plant, fantasiert, träumt. Momente, in denen die Zeit stockt.

Das Festival zeigte mit prominenten Gastbühnen von Berlin bis Nürnberg, wie vielfältig solche Ein-Personen-Stücke sein können: Rückblicke, fiktive Dialoge, Rollenspiele, innere Monologe, Romanprosa, Krankheitsprotokolle. Monologe haben mit Alleinsein zu tun - sie gelten als typisch fürs Theater heute: Denn der virtuelle Overkill, sagen Sozialforscher, geht auch mit einer Seelenvereinsamung einher. Und im vieldiskutierten "postdramatischen Theater", das die "Zersetzung des Dialogs" spiegelt, spielt der Monolog eine wichtige Rolle. Sogar die Unesco erforscht dieses Bühnengenre. Kurz, die Tonne trifft mit ihrem ersten deutschsprachigen Monolog-Festival durchaus einen Nerv der Zeit. Ein starkes Konzept. Oder um im Monologbild zu bleiben: Einsame Spitze.

 

 

Mit krassen Typen in einem Raum

von Kathrin Kipp
REUTLINGER NACHRICHTEN, 22.02.2011

REUTLINGEN. Wie berichtet, wurde Eric Bogosians Solo »Mit dem Kopf schlage ich Nägel in den Boden« Sieger bei »Monospektakel«. Ein zweites Festival ist angedacht.

Mit diesem bundesweit ersten Festival seiner Art wollte das Tonne-Theater bewusst »Monospektakel« präsentieren - also nicht nur »Monologe« im engeren Sinne, wie Dramaturgin Karen Schultze betont. Das Festival mit sieben Beiträgen - einer Tonne-Uraufführung und sechs Gastspielen aus Berlin, Oldenburg, Nürnberg und Karlsruhe - bot auch spartenübergreifende Produktionen, etwa Musik- und Figurentheater. Der Monolog-Begriff sollte über das Sprechtheater hinaus erweitert werden. Der Sieger - Eric Bogosians One-Man-Show »Mit dem Kopf schlage ich Nägel in den Boden« mit Tom Gerber, eine Produktion des Badischen Staatsschauspiels Karlsruhe - erhält übrigens das theatereigene Maskottchen »Tonnella«, eine von einer bulgarischen Künstlerin zum Theaterjubiläum entworfene und handgefertigte Figur, die bisher hauptsächlich Förderern und Unterstützern des Theaters überreicht wurde.

Die Bilanz dieses ersten »Monospektakels« von Seiten des Theaters sei »insgesamt sehr positiv«, berichtet Karen Schultze. Schultze: »Trotz des intensiven Spielbetriebs mit täglich neuem Bühnenaufbau und Lichteinrichtung und damit maximaler Forderung an die drei Techniker, von denen Boris Gonzalez am letzten Abend sogar als Jean dem Protagonisten auf der Bühne als Spielpartner Stichworte liefern musste, verlief das kleine Festival sehr reibungslos ab.« Besonders erfreulich für dieses »geballte Theaterangebot innerhalb einer Woche« sei »die positive Besucherbilanz« gewesen. Knapp 500 Zuschauer dürften zum Festival gekommen sein.

Dank der Förderung für zwei der Gastspiele durch das »Nationale Performance Netz« (NPN) und den Erfahrungen aus diesem bundesweit ersten Festival dieser Art werde man sich in Reutlingen schon »auf eine Neuauflage freuen« können, bestätigt die Tonne-Sprecherin.Die Jury begründet ihre Entscheidung für Eric Bogosians Solo so: »Dieser innovative Text, der Figuren von hier und heute, hic et nunc, sprechen lässt, über ihr Leben, die Gesellschaft und ihre extrem subjektive Sichtweise darauf, ist eine Entdeckung. Er will gespielt sein, und das könnte wohl kein anderer Schauspieler so virtuos wie Tom Gerber in der kongenialen Regie von Donald Berkenhoff. Gerber ist ganz Rolle: mit Haut und Haar (obwohl es von Figur zu Figur keinerlei Veränderung an Kostüm und Maske gibt), mit Leib und Seele lässt er seine Charaktere durch beeindruckende Körperlichkeit, grandiose Sprachbehandlung, das szenische Andeuten von Orten und Situationen lebendig und vollblütig vor dem Publikum entstehen. . . . Es ist nicht immer angenehm, ja manchmal sogar bedrohlich - weil unkalkulierbar - mit seinem Spiel und seinen krassen Typen in einem Raum zu sein. Aber grade das macht alle Teilnehmer knallwach und den Abend hochbrisant und überaus ein- und nachdrücklich.«

Als »wertvolles Theatererlebnis« stufte die Jury zudem den Beitrag »Macbeth für Anfänger« ein, eine Puppentheater-Produktion von Thalias Kompagnons Nürnberg.

 

 

Die Mono-Tonnella

von Matthias Stelzer
SCHWÄBISCHES TAGBLATT, 23.02.2011

...geht an »Mit dem Kopf schlage ich Nägel in den Boden«

Das erste Mono-Spektakel des Reutlinger Tonne-Theaters hat einen Sieger. Die sechsköpfige Jury des Festivals entschied sich für Tom Gerber. Der 44-Jährige, der in dieser Spielzeit vom Staatstheater Karlsruhe zum Schauspiel Essen wechselte, überzeugte mit seiner deutschen Erstaufführung eines Monologs von Eric Bogosian.

REUTLINGEN. Er hat einen Lauf im Tonne-Theater: Nach dem Erfolg von »Sex, Drugs, Rock & Roll« mit Heiner Kondschak in der Hauptrolle hat sich der Dramatiker Eric Bogosian jetzt mit einem weiteren Stück in die Reutlinger Theater-Geschichte eingeschrieben.

Tom Gerber gewann mit dem Ein-Personen-Stück »Mit dem Kopf schlage ich Nägel in den Boden« des US-Amerikaners das erste Reutlinger Mono-Spektakel. Gegen sechs weitere Monologe setzte sich die deutsche Erstaufführung durch, die am Badischen Staatstheater Karlsruhe unter Regie von Donald Berkenhoff entstanden ist.

Gerber, der bis zur letzten Spielzeit in Karlsruhe bei Ex-Tonne-Chef Knut Weber engagiert war, wird von der Jury als Schauspieler gelobt, der seine Charaktere »mit Leib und Seele« verkörpert. Bei seinem Gastspiel im Spitalhofkeller war er ein aggressiver Unterhalter, der seine Zuschauer anging und anschrie. Als Penner, Guru, frustrierter Konsummensch, bornierter Spießer und Egozentriker sorgte Gerber auf der Bühne - wie es die Jury formulierte - für ein »knallwaches« Publikum. Und das dürfte auch ganz im Sinne des Schöpfers von »Pounding Nails in the Floor with my Forehead« sein. Denn der Dramatiker Eric Bogosian sieht sich in der Tradition von Bert Brechts epischem Theater. »Ich will, dass Theater mich aufweckt, nicht, dass es mich einlullt und schläfrig macht«, lautet sein Credo.

Ein Anspruch, dem auch die meisten der anderen Stücke des Mono-Spektakels gerecht wurden. Vielfältig hatte die Tonne ihr Festival besetzt - auch, um dem Begriff Monolog über das Sprechtheater hinauszuhelfen. Michael Schneiders musikalische »Wunder der Welt«, eine Tonne-Eigenproduktion, passten da genauso unter den Mono-Bogen wie das Puppentheater »Macbeth für Anfänger« der Thalias Kompagnons aus Nürnberg.

Dem fränkischen Puppenspiel hätte die Jury mangels Vergleichbarkeit mit den anderen Stücken eigentlich gerne einen Sonderpreis verliehen. Letztlich blieb es dann aber doch bei der Auszeichnung für Tom Gerber. Ein Preisgeld bekommt zwar auch er nicht, aber immerhin eine »Tonnella«, das Theater-Maskottchen, das sich die Tonne zum Jubiläum 2008 von einer bulgarischen Bühnenbildnerin schaffen ließ.

Ihre Figur wird weiter gebraucht werden. Denn die Tonne, die bei den sieben Aufführungen des ersten Monolog-Festivals immerhin knapp 500 zahlende Besucher/innen verbuchen konnte, plant eine Neuauflage. »Das Festival hat uns wirklich Spaß gemacht«, sagte Intendant Enrico Urbanek gestern.

Und auch in der Theaterszene zeichnete sich über die Festivalwoche ein großes Interesse an einer Wiederholung des Mono-Spektakels ab. Mit dem bundesweit ersten Festival seiner Art hat die Tonne jetzt offenbar ein Format entdeckt, das sich in Reutlingen etablieren könnte - und wegen des beschränkten Aufwands auch gut zum Low-Budget-Etat des Stadttheaters passt.

 

 

Tom Gerber gewinnt

REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER, 23.02.2011

Festival - Tonne zieht Bilanz zum Monospektakel

REUTLINGEN. Sieben Solo-Stücke hatten die sechs Jury-Mitglieder im Laufe des Monospektakels der Reutlinger Tonne zu beurteilen, das am Sonntag zu Ende ging. Eine schöne Aufgabe, aber auch eine schwere Aufgabe. Nach längerer Diskussion und Abstimmung der Jury stand ein Sieger fest: Es war die deutsche Erstaufführung von Eric Bogosians Solo »Mit dem Kopf schlage ich Nägel in den Boden«, von Tom Gerber fesselnd auf die Bühne der Tonne gebracht.

AGGRESSIVER ENTERTAINER
In der Begründung der Jury hieß es: »Der innovative Text, der Figuren von hier und heute sprechen lässt, über ihr Leben, die Gesellschaft und ihre Sichtweise darauf, ist eine Entdeckung. Er will gespielt sein und das könnte wohl kein anderer Schauspieler so virtuos wie Tom Gerber in der kongenialen Regie von Donald Berkenhoff. Gerber ist ganz Rolle: Mit Haut und Haar, mit Leib und Seele lässt er seine Charaktere durch beeindruckende Körperlichkeit, grandiose Sprachbehandlung, das szenische Andeutungen von Orten und Situationen vor dem Publikum entstehen. Er ist ein aggressiver Entertainer, der die Zuschauer angeht, anschreit, anfasst, einen Menschen aus dem Publikum während einer ganzen Szene auf der Bühne festhält. Es ist nicht immer angenehm, ja manchmal sogar bedrohlich, weil unkalkulierbar, mit seinem Spiel und seinen krassen Typen in einem Raum zu sein. Aber grade das macht den Abend so hochbrisant.«

Die Organisatoren von der Tonne zogen eine positive Bilanz: Trotz des intensiven Spielbetriebs mit täglich neuem Bühnenaufbau sei alles reibungslos abgelaufen. Als besonders erfreulich werteten die Tonne-Verantwortlichen die positive Besucherbilanz mit insgesamt guter Auslastung. Dank der Förderung für zwei der Gastspiele durch das Nationale Performance-Netz (NPN) werde man sich in Reutlingen auf eine Neuauflage freuen können.

LOB FÜR HANDPUPPEN-MACBETH
Alle Juroren waren sich einig, ein anderes Stück ebenfalls als besonders wertvolles Theatererlebnis zu benennen: »Macbeth für Anfänger«, ein Puppentheater für Erwachsene der Thalias Kompagnons Nürnberg. Diese Produktion sei, so die Jury, nicht in den direkten Vergleich mit den reinen Schauspieler-Solos zu stellen, da es sich um (sogar klassisches Kasper-) Figurentheater handelt. Die Puppen - Kasper, König, Seppl, Krokodil - rebellieren, sie wollen ernsthaftes Theater machen und endlich Shakespeare auf die Puppenbühne bringen.

Ein Spaß auf höchstem Niveau, virtuos-originelles groß-kleines Welttheater dank dem furiosen Spieler Tristan Vogt und Regisseur Gyula Molnàr. Die Jury wünscht sich mehr solch gelungener Produktionen.

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