Unerschütterlicher Optimist und seine Freunde

von Christoph B. Ströhle

REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER, 21.10.2024

 

Bühne – »Pu der Bär« bringt bei der Premiere imTheater Die Tonne Erwachsenen- und Kinderaugen zum Leuchten

 

REUTLINGEN. Wenn Christopher Robin seine Kuscheltiere herzt, besonders Teddybär Pu, und mit ihnen Abenteuer bis hin zur Nordpol-Expedition erlebt, ist die Welt in Ordnung. Dann dürfen auch die Erwachsenen im Publikum für die Dauer einer Theateraufführung wieder mal Kind sein.

 

Das Reutlinger Theater Die Tonne will mit »Pu der Bär« nach A. A. Milne in einer Fassung von Marion Schneider-Bast und Alice Feucht Theater »für alle ab sechs Jahren« machen und schafft es mit kindlichem Charme und Leichtigkeit, Erwachsenen- und Kinderaugen zum Leuchten zu bringen. Was natürlich an der knuffigen Titelfigur liegt, die mit ihren Freunden im Hundert-Morgen-Wald (beziehungsweise in Christopher Robins Kinderzimmer) lebt. Als da wären Ferkel, der Esel I-Ah und Kaninchen mit seinen fünfzehn Verwandten. Alle gespielt von Schauspieler Jonas Breitstadt, der nur kleine Kostümwechsel braucht, um sie glaubhaft zu machen.

 

Überschaubare Welt

 

In die Rolle von Pu schlüpft Rupert Hausner, der als Bär ein erfrischend unerschütterlicher Optimist ist. Und ein glücklich Scheiternder. Man kann ihm förmlich beim Denken zusehen. Aus den Plänen, die er schmiedet, sprechen Naivität, Menschlichkeit, Gutgläubigkeit und Pragmatismus. Wobei der Pragmatismus in den seltensten Fällen den erhofften Erfolg bringt.

 

Es ist eine überschaubare Welt, die hier vor Augen geführt wird. Die Bühne (Ausstattung: Katharina Luetkens) ist ein Raum im Keller oder Dachboden, in dem sich alles, was es für die Erzählung braucht, findet. Ein Sessel, ein Buch, Kuscheltiere, Teppiche, in die man sich einrollen kann, als wäre es ein Kaninchenbau. Leitern, die sich als Baum, Bärenwohnung oder Schiffsbug eignen. Ein Topf für Pus über alles geliebten Honig, ein Karton als Falle für ein Heffalump (ein Fantasiewesen, das angeblich Honig mag) und eine Taschenlampe und ein Fernglas für die Expedition.

 

Vergessener Geburtstag

 

Ganz vieles spielt sich in Marion Schneider-Basts liebevoller Inszenierung in der Fantasie der Zuschauerinnen und Zuschauer ab. Und in den Gesichtern der Schauspieler. Zu denen bei der Premiere am Samstag auch Richard Kipp, Student an der Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, gehörte, der bei den Aufführungen im Wechsel mit Aaron Smith A. A. Milnes Sohn Christopher Robin verkörpert.

 

Die erzählten Episoden sind kurz, das Scheitern vorhersehbar, der Weg dorthin aber auch manches Mal überraschend. Das gilt auch für das Positive, das Pu aus Debakeln zieht. Und so wird auf der Bühne auch fröhlich gesungen und getanzt (Komposition: Michael Schneider).

 

Kaninchen darf für kurze Zeit auch mal fies sein, als es darum geht, die Neuankömmlinge Känga und Klein-Ruh aus dem Hundert-Morgen-Wald zu vertreiben. Umsointensiver freundet es sich später mit beiden an.

 

Herrlich ist es anzusehen, wie sich die Miene des Esels I-Ah aufhellt, als die Freunde ihn an seinem vonihnen zunächst vergessenen Geburtstag doch noch feiern. Jonas Breitstadt gibt I-Ah ansonsten einen fast schon rührenden Pessimismus.

 

Wohingegen Rupert Hausners Pu allenfalls mit seinem begrenzten Verstand hadert. Der für einen Teddybären aber doch ganz gut ausgeprägt ist. Pu ist es auch, der Ferkel, das sich vor vielen Dingen fürchtet, immer wieder Mut zuspricht.

 

Eine Stunde dauert die Aufführung, die ihre Geschichten aus A. A. Milnes erstem Buch über Pu schöpft. Die Vorstellung verlässt man heiter und beglückt. Aber auch mit dem Wunsch, dass die Tonne in dieser wunderbaren Besetzung noch weitere von Pus Abenteuern, vielleicht mit zusätzlichen Figuren, auf die Bühne bringt. (GEA)

 

 

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