Die Gerechten
von Albert Camus
aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel
Albert Camus wurde am 7. November 1913 in Mondovi/Algerien geboren. Erst ein Stipendium ermöglichte dem aus armen Verhältnissen stammenden Camus den Besuch des Gymnasiums. Danach studierte er in Algier Philosophie und arbeitete nebenbei u.a. als Verkäufer, Privatlehrer und Journalist. 1930 erkrankte er an einer Lungentuberkulose, deren Krankheitsverlauf sein ganzes Leben immer wieder beeinflusste. Schon früh war er vom Theater fasziniert und gründete zusammen mit Freunden 1935 das »Théatre du Travail« (Theater der Arbeit). An diesem Laientheater im Arbeiterviertel von Algier arbeitete er fortan als Dramaturg, Schauspieler und Regisseur. Durch seine Herkunft besonders sensibilisiert für soziale und politische Unterdrückung schloß er sich nach seiner Übersiedlung nach Frankreich 1940 dem Widerstand gegen die deutschen Besatzer an und war maßgeblich an der Herausgabe der illegalen Zeitung COMBAT (Kampf) beteiligt. Nach dem Krieg war er als politisch engagierter Schriftsteller, Theaterregisseur und Verlagslektor in Paris tätig. 1957 erhielt er für sein Werk, das Romane, Erzählungen, Theaterstücke und politische und philosophische Essays enthält, den Nobelpreis für Literatur. Am 4.Januar 1960 kam Camus bei einem Autounfall in der Nähe von Paris ums Leben.
Zu seinen wichtigsten Werken, die ihn zusammen mit Jean-Paul Sartre zu einem Hauptvertreter des französischen Existenzialismus machen, gehören sein Erstlingsroman DER FREMDE (1942), die Essaysammlung DER MYTHOS VON SISYPHOS (1943), der Roman DIE PEST (1947) und die spätere Sammlung von Essays DER MENSCH IN DER REVOLTE (1951).
Camus zentrales Thema ist die Absurdität der Welt, in der es keinen Gott gibt und in der sich der Mensch, glücksbegabt aber auch todesbedroht, bewähren muß. Sein »eigensinniger Humanismus« (J.-P. Sartre) sieht im Mittelpunkt der Philosophie immer den »Menschen in der Revolte« gegen sein Schicksal. Gerade die Vergänglichkeit des Lebens und die Ungerechtigkeit in der Welt verpflichten diesen immer von Neuem zu Moral und Gerechtigkeit.
Camus Stück DIE GERECHTEN spielt ursprünglich 1905 in Russland. Eine Gruppe von Revolutionären will das unterdrückte Land befreien und plant die Ermordung des Großfürsten. Über die Frage nach der Berechtigung des politischen Mordes, bei dem auch Unschuldige sterben könnten, kommt es zur Auseinandersetzung zwischen Janek, dem »idealistischen« Terroristen, Dora, seiner Geliebten, und Stephan, dem Ideologen und Revolutionär aus Hass...
Vor dem Hintergrund heutiger Entwicklungen und des globalen Terrorismus stellt dieses Stück noch einmal die Grundfragen nach Notwendigkeit und Ethik von Revolution und Widerstand. Zugleich erzählt es die Geschichte zweier Liebender, die sich zwischen Leben, privatem Glück und der tödlichen Konsequenz von Revolte entscheiden müssen.
Aus jugendlichem Idealismus und politischem Engagement wird plötzlich blutiger Ernst. Was fast wie ein Spiel beginnt, wird zur reinen Ideologie, und aus der gesuchten Solidarität in einer Gruppe wird zwangsläufig eine Folge von Machtkämpfen aller gegen alle. Der politische Mord wirkt wie der ultimative »kick« auf der Suche nach Authentizität, nach der letzten Grenze einer satten Spaßwelt, in der längst alles Politische nur noch »fake« und Lüge ist. Das Stück zeigt den Prozess eines Übergangs.
Regie/Bühne: Carl-Herbert Braun
Kostüme: Tina Löffler
Dramaturgie: Carl-Herbert Braun, André Bastian
Mit: Guido Bayer, David Bredin, Christian Meier, Thilo Prothmann und Christiane Schoon
Premiere am 10. Februar 2005