Internationales Tanztheater XXI

Choreografien von Yotam Peled, Domenico Strazzeri und Yaron Shamir
Das Tanztheaterfestival, das in dieser Form schon über 20 mal von der Tonne veranstaltet wurde, hat sich auch in den Räumen des Neubaus bereits gut bewährt, die Tanzenden wie Zuschauenden günstigere Bedingungen bieten als zuvor. Auch in dieser Spielzeit kann man sich auf weitere, natürlich wieder ganz neu zusammengestellte Tanztheater-Festivals freuen, die aktuelle Arbeiten von unterschiedlichen Choreograf_ innen aus der ganzen Welt in einmaliger Kombination an zwei aufeinanderfolgenden Abenden präsentieren.
Die Vielfalt ganz unterschiedlicher Stile und Ausdrucksformen im zeitgenössischen Tanztheater wird so in abwechslungsreicher Kombination unmittelbar erlebbar: Abstraktes steht da neben Geschichten und Emotionen, Lustiges neben Existentiellem, Solostücke neben Ensemblearbeiten, Experimentelles neben neu kombinierten vertrauten Formen. Einen Kosmos von Assoziationen, eine eigene Bilderwelt und Ästhetik wie auch einen breit gefächerten Einblick in verschiedene aktuelle Choreografiehandschriften bieten diese Tanztheaterabende gerade über die Begegnung mit den so unterschiedlich arbeitenden Künstlern.
Zusätzlich bieten die Choreograf_innen Workshops zum Selbertanzen an, in denen Schüler_ innen mit Tanzerfahrung und Lehrer_innen mit den Profis arbeiten, neue Formen kennenlernen und neue Impulse für die eigene Arbeit gewinnen können.
Programm
Tom Waits – Tom Wartet
Tanzperformance der Strado Compagnia Danza in Kooperation mit dem Stadthaus Ulm
Tom Waits. Das ist ein berühmter Name, der an raues, rauchiges Timbre denken lässt, an Nachtclubs, Rhythm and Blues, Jazz und Rock, an Glück und Melancholie, Sehnsucht, Schmerz, Whisky, Zigaretten und vieles mehr.
Hier ist Tom, eine Kunstfigur mit realen Zügen. Tom trägt Hirngespinste von Gestrandeten auf der Zunge, schwebt auf Augenhöhe mit Bordsteinschwalben und dichtet für all die Taugenichtse und Herumtreiber, die ihr Glück im Fundament einer Flasche suchen.
Diese Geschichten, deren Wahrheitsgehalt zur sorglosen Nebensache wird, stehen im Mittelpunkt der Choreografie wie auch das Warten per se, das Ausharren und Erwarten, das jeder kennt, nur kaum jemand aushält, das Warten auf die große Liebe, das Warten an der Supermarktkasse, das Warten auf die Rente, um endlich mit dem Leben beginnen zu können, oder einfach das Warten darauf, dass die Angebetete endlich deine Hand nimmt.
Choreografie: Domenico Strazzeri
Bühne: Katrin Strazzeri
Kostüme: Christina Schlumberger
Tanz: Katherina Krummenacher, Ines Meißner, Hanna Münch, Jeff Pham, Lorenzo Ponteprimo, Christina Zaraklani
Dauer: ca. 60 min
- danach Pause -
Home.Alone
Die Geschichte zweier Körper, die zwischen Erinnerungen und noch unerschlossenen Fantasien hin- und herspringen.
Über geradezu mechanische Wiederholungen von Ritualen bemühen sie sich darum, endlich zu fühlen, etwas Verlorenes wieder zurückzuerobern, sich in der Wahl des jeweils anderen zu bestärken. Ihre Angst vor der Einsamkeit bringt sie zusammen, ihre Bindungsangst auseinander.
Home.Alone spiegelt eine zwischen romantischen Idealen und postmodernem Nihilismus verlorene Generation, die in eine Welt voller Paare und Familien hineingeboren wurde, eine Welt die die Einsamkeit fürchtet und in der man nur existieren kann, wenn man jemand anderen findet.
Aber kann eine Beziehung überhaupt Freiheit und höheres Bewusstsein ermöglichen oder ist sie nicht eher eine Art Käfig, der uns darin bestärkt, dass wir unser Leben selbst bestimmen können, indem wir über den anderen bestimmen?
Wie kann ich mich so nah bei dir dennoch einsam fühlen?
Während ich die alten Wege fürchte, macht dir die Zukunft noch mehr Angst - die komplette Entfremdung, bei der Werte und Erkenntnisse unter dem Deckmantel der Individualität verlorengehen.
Choreografie: Yotam Peled
Tanz: Yotam Peled, Myriel Welling
Dauer: ca. 30 min
Farvel – Die Kraft des Abschieds [Uraufführung]
Das Rad des Lebens bewegt sich immer weiter: Von einem Moment zum anderen bin ich nicht mehr die energiegeladene, erfolgreiche Person, die ich vorher war − ich drifte in einen anderen Zustand, eine andere Zeit, die ich noch nicht kenne. Plötzlich ist da Angst vor dem, was ich sein werde und vor dem, was wird.
Ich kann versuchen, mich darauf vorzubereiten − aber nie genug. Die Zeit, in der ich aktiv mein Leben gestaltet habe, ist vorüber. Jetzt bleibt mir nur, das »Dazwischen« im Heute und Morgen auszuhalten. Ich muss es geschehen lassen. Ich muss das Gewicht der Freiheit tragen und mich von der Person, die ich davor war verabschieden.
Farvel! Ich schließe eine Tür, aber eine andere ist gerade dabei, sich zu öffnen.
Choreografie und Tanz: Yaron Shamir
Koproduktion: Theater Reutlingen Die Tonne
Musik: Hior Chronik / Giorgos Papadopoulos
Gewichtgürtel – Idee und Design: Orna Millo
Projektmanagerin: Annette Plaz
Dauer: ca. 15 min
… gut, dass die Tonne auch immer wieder mal die Fühler zum Tanztheater ausstreckt auf der Höhe der Zeit und der Bühne. – GEA, 12.10.15
Das Publikum bedankte sich für den abwechslungsreichen und künstlerisch anspruchsvollen Abend bei allen Künst lern mit tosendem Applaus. − SCHWABISCHES TAGBLATT 13.10.15