Mein Kampf
von George Tabori
aus dem Englischen von Ursula Grützmacher-Tabori
In MEIN KAMPF, einem theologischen Schwank (Tabori) mit zahlreichen Anspielungen auf das so berühmte wie verdrängte Buch gleichen Titels, leben in einem Wiener Männerheim um 1900 der Koscher-Koch Lobkowitz, der sich für Gott hält, und der fliegende Buchhändler und erfolglose Schriftsteller Schlomo Herzl, der an seinen Memoiren arbeitet, die er Mein Kampf nennen will. Jeden Tag spielen die Juden Lobkowitz und Schlomo Gott und auserwähltes Volk in einem bitteren Kabarett aus Bibelsprüchen und Kalauern. Da sucht der junge bäuerliche Adolf Hitler im Männerheim Unterschlupf, der in das »dekadente kaiserliche Wien« gekommen ist, um Kunstmaler zu werden. Als seine Bilder »deutsche Schäfer-hunde« und »Maiskolben im Zwielicht« vom Professor an der Akademie abgelehnt werden, sucht er einen Schuldigen für seine Niederlage und steigert sich immer mehr in den Hass gegen die Juden hinein. Zwischen Schlomo und Hitler entwickelt sich eine Art Hass-Liebe, in der alle Facetten menschlicher Stärken und Schwächen von Tabori ohne Wertung gezeigt werden. Selbst da, wo die Behauptung von Gemeinsamkeiten paradox erscheinen muss, entdeckt er sie in dieser konstruierten Begegnung zwischen Hitler und einem Juden. Die großen menschlichen und gesellschaftlichen Zusammenhänge offenbaren sich bei Tabori durch seine typische Mischung von Witz und Trauer.
George Tabori, Schriftsteller und Theaterregisseur, wurde 1914 in einer jüdischen Familie in Budapest geboren, lernte das Hotelfach in Berlin und Dresden, und kehrte 1933, als Hitler Reichskanzler wurde nach Budapest zurück. Mitte der dreißiger Jahre floh er nach England und wurde englischer Staatsbürger. Während des Krieges diente er in der britischen Armee, und war 1942 als Leutnant im damaligen Palästina eingesetzt; in dieser Zeit schrieb er auch seine ersten Romane. Durch den Holocaust verlor er den größten Teil seiner Familie. Bis 1947 arbeitete er für die BBC und ging dann nach Hollywood, wo er Drehbücher schrieb. In USA lernte er Brecht kennen und durch ihn das Theater. Tabori schrieb einige politisch aktuelle Stücke und versuchte schließlich, den Tod seines Vaters in Ausschwitz und das Thema Ausschwitz überhaupt auf die Bühne zu bringen. DIE KANNIBALEN - 1968 in New York uraufgeführt – leitete die Reihe seiner ERINNERUNGSSTÜCKE ein, wozu auch JUBILÄUM, MEIN KAMPF, WEISMANN UND ROTGESICHT und DIE GOLDBERGVARIATIONEN gehören. 1969 inszenierte er am Schillertheater in Berlin und gründete 1975 am Bremer Theater ein Theaterlabor, wo er mit einer eigenen Truppe Stücke und Aufführungen erarbeitet. Tabori, der zuletzt am Berliner Ensemble DAS ERDBEBEN-CONCERTO (Mai 2002) inszenierte, ist im Alter von 88 Jahren einer der ältesten Theatermacher Deutschlands.
Taboris Stücke, seine Erinnerungsarbeit, sein Theater des Trauerns, ist vom schwarzen und grotesken Humor geprägt. Immer wieder kommt Schmerz und Scherz zusammen, oder wie es Tabori selbst ausgedrückt hat: »Humor ist no laughing matter«.
Regie/Ausstattung: Marcus Lachmann
Dramaturgie: Mari Moén
Mit: Sabine Hollweck, Gesche Picolin, Carl-Herbert Braun, Joachim Kaiser, Thilo Prothmann, Ralf Stech
Premiere am 13. März 2003