Nacht, Mutter
von Marsha Norman
aus dem Amerikanischen von Alissa Walser
Jessie Cates ist in den Dreißigern. Ihr Mann Cecil hat sie verlassen. Ihr Sohn Ricky ist längst aus dem Haus und auf die schiefe Bahn geraten. Ihr Vater ist tot.
Vor Jahren wurde ihr nach einem Reitunfall Epilepsie diagnostiziert. Seitdem hat sich ihr Körper immer mehr wie ein Käfig um ihr Leben geschlossen. Mittlerweile ist sie ins Haus ihrer Mutter zurückgekehrt; denn allein zu leben verbietet ihr ihre Krankheit. Auch das Autofahren verbietet ihr die Krankheit, und in den Jobs, die sie trotz allem angenommen hatte, ist sie gescheitert. Jessie ist ihres Lebens überdrüssig geworden.
Jessie: «Sie wissen alles mögliche über einen, haben es mitgekriegt, als man noch gar keine Chance hatte, überhaupt zu sagen, ob es einem recht ist, dass sie das wissen oder nicht. Sie waren dabei, als es passiert ist, aber es geht sie nichts an, es geht nur mich an.» Thelma: «Alles, was du tust, hat mit mir zu tun, Jessie. Wasch dir das Gesicht oder schneid dir in den Finger, nichts tust du, ohne es mir anzutun. So ist das! Ob du mich umbringst, oder dich, Jessie, es ist ein und dasselbe.»
An einem Abend wie jedem anderen durchbricht sie die lähmende Routine und eröffnet ihrer Mutter, dass sie sich nach ihrem Gespräch umbringen würde. Thelma Cates ist fassungslos; doch dann beginnt sie einen verzweifelten Kampf um das Leben ihrer Tochter. Sie zieht alle Register des Gesprächs und versucht Jessie, mit allen Mitteln von diesem Plan abzubringen. Allmählich entwickelt sich vor den Augen des Betrachters eine lange Geschichte des Schweigens und der Missverständnisse. Der Mutter-Tochter-Konflikt entpuppt sich als Scheitern zwischen Frau und Mann über die Generationen hinweg. Was die Mutter an ihrem Mann hasste, liebte die Tochter an ihrem Vater. Zum ersten Mal kommt es zu einem echten Dialog. Doch Jessies Entschluss steht fest.
Regie: André Bastian
Bühne/Kostüme: Tijen Berber
Mit: Christiane Schoon und Jutta Schröder
Premiere am 30. September 2004